Die Eulen sind nicht was sie scheinen*

Eulen, Spinner, Spanner, Widderchen, Bohrer, Wickler, Zündzler, Glucken und Schwärmer – die Familien der Nachtfalter haben geheimnisvolle Namen. Die meisten Menschen fassen sie einfach alle unter dem abfälligen Begriff „Motte“ zusammen (dabei tragen nur wenige Familien tatsächlich den Begriff „Motte“ im Namen). Wer von „Schmetterlingen“ spricht, meint fast immer nur die bunten Tagfalter – dabei gehören über 90 Prozent der Schmetterlingsarten zu den Nachtfaltern. In meinem Bemühen, auch die weniger extrovertierten Bewohner meines Gartens kennen zu lernen, konnte ich diese Wahrnehmungslücke natürlich nicht länger hinnehmen und habe mich bemüht, den Nachtfaltern näher zu kommen. Was flattert in der Dämmerung um mein Häuschen?

Ein wichtiger Unterschied zu den Tagfaltern sind die Fühler: Die Tagfalter haben keulenförmig verdickte Fühlerenden, während es bei den Nachtfaltern alles mögliche gibt – häufig fiedrige Antennen, mit denen die Tiere beispielsweise Sexuallockstoffe auf große Entfernung wahrnehmen können.

Kompasslattich-Eule (Hecatera dysodea) – frisst auch am Mauerlattich.

Angeblich kann man die Tiere mit Licht oder auch Rotwein locken, aber meine halbherzigen Versuche waren wenig erfolgreich – vielleicht weil der verregnete August so wenig laue, falterfreundliche Nächte hatte. Im Internet gibt es richtige Rezepte für den perfekten Nachtfalterlockstoff, das werde ich vielleicht im nächsten Jahr einmal testen. Alkohol scheint dabei jedenfalls eine buchstäblich tragende Rolle zu spielen – er hilft dabei, Duftstoffe in der Nachtluft zu verbreiten.

Hausgäste

Einige Nachteulen stellten sich schließlich persönlich bei mir vor, indem sie mich direkt im Haus besuchten. Die Hausmutter legte direkt ihre Eier auf den Fensterrahmen im Obergeschoss, und eine Messingeule fand ich erst nach ihrem Tod auf der Fensterbank zwischen den Blumen. Eulenfalter sind eine riesengroße Schmetterlingsfamilie mit mehr als 600 Arten. Sie sind meist unscheinbar gefärbt, aber das hintere Flügelpaar zeigt oft bunte Zeichnungen. Warum fliegen „Motten“ eigentlich zum Licht? Tun sie gar nicht – sie nutzen das Mondlicht lediglich zur Orientierung, so ist zumindest die gängige Theorie. Der Mond ist allerdings sehr weit weg, und so ändert sich der Winkel dazu während eines Geradeausfluges nicht nennenswert.

Verwirrende Irrlichter

Überstrahlt allerdings eine Lampe das Licht der Himmelskörper, orientieren die Insekten sich am künstlichen Licht. Nähern sie sich der Lichtquelle, stimmt der Winkel nicht mehr, der Falter korrigiert also seine Flugbahn. Eigentlich möchte der Falter geradeaus, aber der sich ständig ändernde Winkel zum Licht lässt ihn spiralförmig auf die Lichtquelle zufliegen. Das kostet Kraft – und Zeit. Viele Insekten haben in ihrer letzten Lebensphase, beispielsweise als Falter, nur wenige Tage in denen die Fortpflanzung gelingen muss. Künstliches Licht ist eine Bedrohung für Nachtfalter (und viele andere Insekten). Aus Versuchen weiß man, dass Nachtfalter Wellenlängen zwischen 330 nm und 800 nm wahrnehmen. Die attraktivsten Spektralbereiche liegen zwischen 350 u. 550 nm (blaues bis ultraviolettes Licht), aber die Empfindlichkeit variiert zwischen den Arten und Geschlechtern. Längerwelliges Licht (also eher warmweiß) entschärft das Problem und wird deshalb bei Straßenlaternen allmählich ersetzt. Meine Hausbesucher wurden dagegen vom Kunstlicht in eine Falle gelockt, aus der sie nicht mehr entkommen sind. Schade für das Tier, aber immerhin eine Chance für eine genaue Betrachtung.

Messingeule

Die Zeichnung der Messindeule hält dem Vergleich mit den Tagfaltern stand, finde ich! Die „typische“ Form besitzt zwei nicht miteinander verbundene messingfarbene Querbänder (wie hier). Es gibt aber auch eine Population , bei der die beiden messingfarbenen Bänder durch einen Quersteg verbunden sind.

Messingeule (Diachrysia chrysitis)

Eulen auf Eulenjagd

Tagsüber sind sie gut getarnt, nächtliche Jäger wie Fledermäuse verlassen sich allerdings nicht auf die Sicht und sind entsprechend erfolgreich bei der „Eulenjagd“.  Zwergohreulen gelten auch als Fressfeind von Nachtfaltern, während unsere Mitwohnerin die Waldohreule fast nur Mäuse zu fressen scheint.

Ausrufungszeichen (Agrotis exclamationis). In Europa einer der häufigsten Eulenfalter.

Gamma-Eule (Autographa gamma)
Gamma-Eulen sind Wanderfalter, die selbst Hochgebirge überqueren. Sie leben von Nektar verschiedener Pflanzen, die sie im Schwirrflug aufsuchen- auch tagsüber- nehmen aber auch menschlichen Schweiß auf. Beim Endspiel der Fußball-Europameisterschaft 2016 wimmelte es im Stadion von Gammaeulen. Eine erlangte eine kurze Berühmtheit, als sie sich im verschwitzten Gesicht des verletzten Stürmers Cristiano Ronaldo niederließ.

Das hier halte ich für eine Eulenraupe, eventuell der Ypsiloneule (Agrotis ipsilon)
Die Achateule (Phlogophora meticulosa) hat auch eine sehr schöne Zeichnung, bisher ist sie mir allerdings nur als Raupe begegnet.
Janthina-Bandeule (Noctua janthina) mag – wie so viele Falter Brennessel als Raupenfutter.
Bunte Halmeulchen (Oligia versicolor)

Andere Familein der Nachtfalter sind mir auch schon begegnet, dazu demnächst mehr:

Ein männlicher Ampfer Wurzelbohrer (Triodia sylvina)

*Wer’s nicht gesehen hat: Diese Weisheit entstammt der Fernsehserie Twin Peaks.

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