Charles Darwin war Regenwurmfan. Der große Naturforscher belehrte seine Landsleute: “dasz die ganze Ackererde über das Land schon viele Male durch die Verdauungscanäle der Würmer gegangen ist und noch viele Male durchgehen wird.” Er hielt und beobachtete in seinen späten Jahren verschiedene Regenwurmarten aus aller Welt und verbesserte mit seinem im Spätherbst 1881 erschienen Werk „Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer“ nachhaltig deren Reputation: Regenwürmer galten bis dahin als Pflanzenschädlinge. Auch die Fachwelt nahm erst als Reaktion auf Darwins Ausführungen ihre nützliche Arbeit zur Kenntnis. Die Neuauflage Darwins Buches dokumentiert das neu erwachte Interesse an den Würmern.
Tonnenweise Würmer
In anderthalb Fußballfeldern (1 ha) Ackerboden leben 10 Tonnen Bodentiere – das ist soviel wie das zulässige Höchstgewicht für einen richtig großen Traktor. Darunter sind nicht nur die 46 verschiedenen Arten von Regenwürmern, die in Deutschland vorkommen – aber sie haben einen großen Anteil. Dass Regenwürmer nützlich sind, um organisches Material zu recyclen und den Boden aufzulockern ist allgemein bekannt. Die Dimensionen waren mir allerdings nicht ganz klar: die Würmer hinterlassen in einem einzigen Quadratmeter Boden 450m Gänge – welche den Boden nicht nur belüften sondern auch seine Aufnahmekapazität für Wasser erhöhen. Auf dem erwähnten Hektar Acker verwerten die Würmer 6 Tonnen Stroh und Blätter pro Jahr zu wertvollem Hummus, dem besten Dünger der Welt. Regenwürmer mögen ihren Blattfall-Salat am liebsten mit Pilztopping – und vernichten besonders gern Pilzsporen von phytopathogenen Arten, also solchen, die Pflanzen krank machen. Wer dagegen alle Pflanzenreste entfernt, lässt seine wichtigsten Gartenarbeiter verhungern. Das passiert tatsächlich, wie entsprechende Versuche zeigen konnten.
Gewohnt aber unbekannt
Obwohl sie so unverzichtbare Arbeit leisten, kriechen die mäßig attraktiven, nachtaktiven Bodenbewohnern die meiste Zeit unter meiner Aufmerksamkeitsschwelle. Ich musste nachschlagen wo überhaupt „vorne“ ist. (Der verdickte, blassere Hautring befindet sich näher beim Kopf). Das Gelege unter dem Blumentopf konnte ich auch nur mit Googles Hilfe bestimmen. Und die Arten zu unterschieden scheint mir eine Überforderung.
Lebensraum für Lumbricidae
Regenwürmer wie der große Tauwurm oder der Kompostwurm finden sich zwar häufig – trotzdem werden die Stimmen lauter, die einen besseren Schutz für diese wichtigen Bodenverbesserer fordern. Konventionell bewirtschaftete Äcker mit eintönigem Monokulturen-Futter, Stickstoffdünger und Ammoniak aus Gülle sind ungesund für die Würmer-WG im Erdboden, und die Bodenbearbeitung mit dem Pflug beendet viele Würmerleben. So findet man in intensiv genutzten Böden nur noch 30 Würmer pro qm, während im Biolandbau 450 und mehr Tiere gezählt werden. Regen dagegen ist keine Bedrohung für Regenwürmer – es stimmt nicht, dass sie in vollgelaufenen Gängen ertrinken. Man weiß heute, dass Regenwürmer über Monate in überschwemmten Wiesen überleben. Ihr massenhaftes Auftreten an der Oberfläche nach Regenfällen scheint eher mit dem Paarungsverhalten und guten Wanderungsbedingungen bei Feuchtigkeit zusammen zu hängen.
Wieviele verschiedene Würmer mag mein Garten beherbergen? Das werde ich wohl nicht herausfinden, die Bestimmung der einzelnen Arten ist zu speziell für mich. Meine Wertschätzung für die Würmer-WG drücke ich jedenfalls wie so oft durch Nichtstun aus: Holt Euch das rottende Laub, solange es Euch noch warm genug ist, um sich zu regen. Ansonsten wünsche ich Euch eine ungestörte Winterruhe – und mir ein Wiedersehen im nächsten Frühling.