Fliegenjäger

Im Garten wuseln Eichhörnchen, Elstern und Tauben, ansonsten ist es ziemlich still und die meiste Zeit obendrein dunkel. Einige meiner inzwischen saisonal verstorbenen Gartenbewohner geistern allerdings noch unbestimmt auf meiner Festplatte herum, nachdem mir im Sommer die Muße fehlte, mich mit ihren Lebensumständen näher zu befassen Vor 8 Wochen beobachtete ich eine sehr schlanke Grabwespe beim Nestbau im Sandkasten. Die App half beim Bestimmen der Kotwespe (Mellitus arvensis). Der Name ist unnötig fies für die gertenschlanke und pfeilschnelle Fliegenjägerin. Innerhalb von etwa 2 Stunden baut sie gut 20-30 cm lange Nester in den Sand und platziert dort sorgfältig erjagte 4-13 Fliegen pro Ei. In Bezug auf die Fliegenspezies ist sie wenig wählerisch. Akribische Doktoranden haben beobachtet, dass sie gern an lohnende Jagdplätze (beispielsweise ein Kothaufen, den die Fliegen mögen) zurückkehrt und dort im Schnitt alle 20 Minuten eine Fliege „abräumt“. Die Fliege wird paralysiert und in eine Brutkammer geschoben, in der die fleißige Mutter je ein Ei ablegt. Die geschlüpfte Larve ernährt sich dann bis zur Verpuppung von den Fliegen.

Kotwespe, Mellinus arvensis. Unten ein Nesteingang im Sandkasten.

Gemeine Fliegenjäger

In einem absichtlich dem Verfall überlassenen Baumstumpf im Garten stieß ich auf ein Fliegenlager des „Gemeinen Fliegenjägers“ (Ectemnius lapidarius) – nehme ich zumindest an. Diese Wespe funktioniert alte Fraßgänge z.B: von Käfern für ihre Zwecke um und baut mehrere Seitengänge, an deren Ende sie jeweils 6-8 Fliegen lagert, das ist dann der Proviant für ein einzelnes Ei. Wenn man sich die halb mumifizierten Fliegen ansieht, stellt sich die Frage, wie Wespenmütter ihre mühsam erjagte Beute eigentlich konservieren, damit sie nicht bereits von Pilzen und Bakterien zersetzt sind, wenn ihre Nachkommen schlüpfen. Einige Grabwespen töten den Proviant nicht sofort, sondern verabreichen lediglich Gifte, die die glatte Muskulatur lähmen. Die paralysierten Opfer warten dann bei lebendigem Leib, aber bewegungsunfähig darauf, zur Babynahrung zu werden. Immerhin arbeitet währenddessen ihr Immunsystem, sie bleiben also „frisch“. Ob die Fliegen wirklich längere Zeit in diesem Zustand leben, habe ich nicht herausgefunden, einige Autoren schrieben, dass den eingetragenen Fliegen schon mal der Kopf fehlte…Über das aufregende Leben weiterer Wespen in meinem Garten habe ich an anderer Stelle schon berichtet.

Grabwespen-Nest. Evtl Gemeiner Fliegenjäger (Ectemnius lapidarius)
Goldfliege unbest. Mehr Fliegen aus dem Garten gibt es hier.

Einwecken für Fortgeschrittene

Wer das Lunchpaket für die kommende Generation direkt tötet, muss sich danach über die Konservierung Gedanken machen. Einkochen, einsalzen oder einfrieren steht der Wespenmutter nicht zur Verfügung. Zu den Grabwespen habe ich dazu nichts substantielles gefunden, aber Seirian Summer beschreibt in ihrem wirklich tollen Wespenbuch wie der gut untersuchte „Bienenwolf“ (Philanthus triangulum) damit umgeht: die bienenjagende Wespe balsamiert Beute (eine Honigbiene) und Ei mit ihrem Speichel regelrecht ein, so dass beides vor Feuchtigkeit geschützt ist. Außerdem werden bestimmte Bakterien (Streptomyceten) übergeben, die ganz natürlich Antibiotika produzieren. (80 Prozent der medizinisch verwendeten Antibiotika werden von Streptomyceten gewonnen). Weiblicher Bienenwolf-Nachwuchs hat ein extra Reservoir, um die lebenswichtigen Bakterien zu bewahren und an die nächste Generation weitergeben zu können. Bienenwolf-Eier sondern zusätzlich Stickstoffmonoxid ab -ein antibakteriell wirkendes Gas. Interessant ist, dass es den symbiotischen Streptomyceten nichts auszumachen scheint – sie sind also resistent gegen das Giftgas des Partners. Man kann davon ausgehen, dass zur Fliegenkonservierung ähnliche Mechanismen greifen. Mit 190 Millionen Jahren „Trial an Error“-Learning nach den harten Regeln der Evolution können meine Fliegenjäger auf einen reichen „Erfahrungsschatz“ bei der Haltbarmachung verderblicher Babynahrung zurückgreifen.

Fliegensmoothie „To Go“

Die erwachsenen Wespen ernähren sich übrigens hauptsächlich von Nektar. Ein anderer Fliegenjäger aus meinem Garten fängt dagegen die weitläufige Verwandtschaft zum sofortigen Verzehr: Dungfliegen sind ziemlich klein und recht behaart. Dass ihnen geeignete Kauwerkzeuge für einen herzhaften Biss fehlen, stört sie nicht: Sie saugen ihr Opfer wie einen Smoothie durch den mitgebrachten Rüssel und lassen die chitinhaltige Hülle einfach fallen wie einen ausgedienten To-Go-Becher.

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