The Sound of Nature

Diese wunderbare Ruhe, hier im Garten, auf dem Land. Obwohl. SO ruhig ist es nun auch wieder nicht. Der Klangteppich in meinem Garten ist wetter- und jahreszeitenabhängig. An einem warmen Sommertag liegen Gespräche aus den Nachbargärten, Kinderjohlen, dann und wann das ferne Grummeln eines Flugzeuges und das unvermeidliche Brummen der Rasenmäher in der Luft, wenn nichts schlimmeres dazu kommt, weil jemand baut oder putzt oder rodet. Aber selbst WENN die Menschen einmal leise sind –  auch die Natur ist nicht still. Ein Ort der Ruhe und Entspannung ist so ein Garten ja nur für seine menschlichen Bewohner. Alle anderen verrichten hier ihr Tagwerk: Überleben.

Große Pechlibelle (Ischnura elegans)

Eine Freundin von mir besuchte vor einiger Zeit einen Yoga-Kurs im Regenwald Costa Ricas mit dem erklärten Ziel, Ruhe zu finden. Auf meine etwas neidische Frage, wie der Dschungel denn nun gewesen sei, antwortete sie spontan: „Laut!“ Affen, Vögel und Insekten hatten einen schlafstörenden Lärm produziert, der wenig Raum für Naturromantik ließ.

Nachtigall, ich hör Dir trapsen

Es zwitschert, ruft, summt und raschelt in meinem Garten. Besonders laute Mitbewohner sind Frösche. In der ersten Saison nach unserem Einzug befürchteten wir, die Nachbarn würden sich bald über das ohrenbetäubende Konzert unserer Teichbewohner beschweren. Immerhin erreichen Teichfrösche bis zu 90 Dezibel Lautstärke, das bewegt sich zwischen Hauptverkehrsstraße und Orchestergraben. Glücklicherweise begannen in den umliegenden Gärten die Froschmänner mit wenigen Tagen Verzögerung ihren nächtlichen Sängerwettstreit um die Gunst der Weibchen.

Vogelstimmen

Seit die Frösche den Kindern weichen mussten, sind die Ringeltauben unsere geräuschvollsten Mitbewohner. Der Täuberich klatscht in der Luft laut mit den Flügeln und lässt sich dann krachend ins Geäst der Buche fallen, um sich dort von seiner Angebeteten für seine Flugkünste bewundern zu lassen. Stundenlang sitzen die Beiden zusammen in den Bäumen, während er gurrend um ihre Aufmerksamkeit bettelt. Tauben paaren sich ganzjährig, und wenn sie gerade nicht füttern, scheint er sie ständig zum Sex überreden zu wollen…

Das Amselmännchen bei seiner täglichen Late-Night-Show
Ein weiblicher Haurotschwanz (Phoenicurus ochruros)

Das Amselmännchen singt und ruft vom der Zypresse oder dem Dachfirst herab. Betritt  jemand überraschend den Garten, flattert einer der Amseleltern erschrocken auf und schimpft aus vollem Hals über die ungebührliche Belästigung. Ein Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros) sitzt auf der Dachrinne und gibt mit lautem tackern (etwa wie ein Geigerzähler) bekannt, dass dieser Garten SEIN Revier sei. Selbst der winzige Zaunkönig macht stimmstark seine Ansprüche geltend.

Jeder funkt in seiner Frequenz

Punktierte Zartschrecke (Leptophyes punctatissima)

Beständiger Sound kommt auch von den Insekten. Die Bienen bilden einen vollen, summenden Klangkörper,  der im Frühsommer die Kirschlorbeerhecke erfüllt, wo sie zu hunderten den Nektar aus den Blattachseln saugen. Später im Sommer vibriert ihr Summen in den Lavendel- und Oregano-Büschen. Gelegentlich kreuzt eine Hornisse mit dem Klang eines Kampfhubschraubers. In einem Jahr besuchten uns sehr viele Hornissen, ohne dass wir ihr Nest sahen. Anfangs schreckte uns das bedrohliche Brummen ihrer Flügel auf, vor allem nachts, wenn sie durch die geöffneten Terrassentüren ins Wohnzimmer patroullierten. Sie sind übrigens ziemlich die einzigen aus der gestreiften Verwandtschaft, die auch nachts auf Raubzug gehen. Da sie sich ansonsten friedfertig verhielten und außerdem die stets angriffslustigen Wespen (Paravespula vulgaris) verjagten, lernten wir ihre Gesellschaft regelrecht zu schätzen. Libellen summen mit einem Ton wie vibrierendes Pergamentpapier. Seit wir in einem Schwedensommer allabendlich verfolgen konnten, wie sie die Stechmückenpopulation rund ums Ferienhaus dezimierten, empfinden wir ihre Fluggeräusche als freundlichen Klang.

Es soll Menschen geben, die anhand des Flugtons hören können, welches Insekt sich nähert. Tatsächlich ist die Frequenz des Fluggeräusches charakteristisch. Bienen summen um 250 Hz, das heißt ihre Flügel schlagen etwa 250 Mal pro Sekunde. Je schneller der Flügelschlag, desto höher der Ton.

Sexy Sirren

Stechmücken schaffen bis zu 1200 Flügelschläge pro Sekunde! Ihr Sirren hat bei der Partnerwahl große Bedeutung: Die Männchen summen auf 600, die Weibchen nur auf 400 Herz. Bei der Paarung jedoch steigern sie sich zu einem Duett in höchsten Tönen– bei etwa 1200 Herz. Das Konzert endet dann häufig mit nur einem Schlag- ganz ohne Flügel. Können Mücken denn überhaupt hören? Das hat man erst kürzlich untersucht – und ja – sie können. Ebenso wie Schmetterlinge. Letztere fliegen trotzdem fast geräuschlos – mit nur etwa 10 Schlägen pro Sekunde.

Die Grillen sind gut versteckt und dafür umso lauter. Eine zirpt etwa einmal pro Sekunde, eine andere produziert mindestens 160 rasselnde Töne pro Minute. Das Grillenzirpen können Experten zwar der Art zuordnen, die Geschwindigkeit der Tonfolge ist aber bei den wechselwarmen Tieren von der Temperatur abhängig. Eine nordamerikanische Grillenart kann sogar zur Temperaturmessung eingesetzt werden. Die kleine grüne Eichenschrecke, die aus der Buche neben unser Kerzenglas gehüpft ist, trommelt zur Brautwerbung dagegen lieber auf ein Blatt. Für Menschen ist das kaum hörbar.

Geheime Mäuseopern

Unser Igel (Erinaceus europaeus)

Wenn es dunkel wird, raschelt das Laub unter der Buche, und das Fiepen streitender Mäuse ist für mich gerade noch wahrnehmbar. Matze hört die hohen Töne bereits nicht mehr. Als junge Menschen nehmen wir Töne zwischen 16 und 20.000 Herz wahr. Mit den Jahren werden wir für immer mehr hohe Frequenzen taub. Der größte Teil der Mäuseunterhaltung entgeht uns allerdings in jedem Alter: Die Nager kommunizieren im Ultraschallbereich. Mäusemänner sind offenbar talentierte Sänger, die ihre Weibchen mit kunstvollen und sehr individuellen Gesängen umwerben – allerdings bei 30.000 bis 110.000 Herz.

Kurz darauf rumpelt der Igel durch die trockenen Blätter. Er trampelt so laut durch das Gehölz, dass man meint, etwas VIEL größeres komme des Weges. Dabei schmatzt, hustet  und schnarcht er ungeniert. Den Mäusegesang hört er dabei viel besser als wir, sein Gehör reicht ein gutes Stück in den Ultraschallbereich hinein. Vielleicht findet er, bei dem Lärm lohne es sich nicht, zu schleichen. Danach wird es für meine Ohren still im Garten. Der Nachtfalter, der kurz auf unserem Tisch rastet, hört dagegen noch die Rufe der jagenden Fledermäuse, und vielleicht das Liebeslied eines Mäuserichs. Ob der Waldohreule bei dem Mäusekonzert schon der Magen knurrt, weiß ich nicht. Das Rascheln der Blätter hört sie auf jeden Fall.  Jetzt, wo der Abend feucht wird und das Sirren der Stechmücken den Grillenchor zu übertönen droht, überlassen wir ihr gerne das Jagdrevier. Ohnehin tönt ein besonders penetranter Ruf aus dem Haus in den Garten: die Waschmaschine flötet appellativ die Beendigung eines Waschgangs in die Naturgeräusche.

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