Corona-Reise in den Kaukasus

Meine letzte richtige Auslandsreise liegt inzwischen lange zurück. Als ich mit meinen Gartenexpeditionen begann, hatte ich nicht geplant, derart viel Urlaub auf dem eigenen Grundstück zu verbringen. Ich wollte mit den Mini-Exkursionen die Natur vor der Terrassentür, die heimischen Gewächse und tierischen Mitbewohner kennen lernen, die ich bisher nie beachtet hatte. Natürlich wachsen in meinem Garten auch reichlich Pflanzen, die nicht heimisch sind, sondern aus allen möglichen Teilen der Erde stammen. Diesmal hatte ich mich aber auf die Wildpflanzen kapriziert und schoss an einigen Tagen Fotos von all den uneingeladenen Gästen, die ihre Blüten in den „ungepflegten“ Rabatten der Sonne entgegen reckten. Bei der Identifizierung erlebte ich dann aber eine Überraschung – wieder einmal, könnte man sagen. Auffallend viele meiner Mitbewohner stammen aus einer über 3000 Kilometer entfernten WG  – dem Kaukasus. Wo ist das nochmal genau?

Botanische Schatzkammer

Zum Thema Kaukasus heißt es auf der Webseite des Botanischen Gartens der Uni Berlin: „Die Ökoregion Kaukasus ist mit mehr als 6.000 Pflanzenarten ein „hotspot“ der Artenvielfalt in den gemäßigten Breiten. Zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer sind eine Vielzahl von Lebensräumen auf engstem Raum miteinander verwoben: feuchte Wälder, saftige Bergwiesen und Hochstaudenfluren, alpine Steinschuttfluren und Quellmoore, aber auch Steppen und Halbwüsten.“ Der Kaukasus liegt auf dem Staatsgenbiet von Russland, Georgien, Armenien, Iran und Aserbaidschan. Kann man sich das mal ansehen?

Wiesente wurden im Kaukasus nach ihrer Ausrottung wieder eingebürgert. Diese hier pennen allerdings am Edersee (eine unserer jüngsten „Reisen“). Tierische Einwanderer aus dem Kaukasus sind deutlich schwerer zu finden als pflanzliche. Hinweise nehme ich gerne entgegen.

Urlaub ohne Koffer

Man kann botanische Exkursionsreisen in den Kaukasus buchen um die dortige Pflanzenwelt zu fotografieren. Derzeit wohl eher nicht. Hier also die Bilder meiner Self-Made-Wochenendexkursion in den Kaukasus, ganz nach dem Urlaubskonzept meiner Oma Else: „Reisen ohne Koffer“. (Ein Bus brachte sie jeden Abend ins heimische Bett und holt sie am nächsten Tag wieder ab.)

Einige meiner Gartenbewohner sind nicht wild, aber trotzdem von allein eingezogen, wie das Mutterkraut (Tanacetum parthenium). Es wurde schon im Mittelalter naturheilkundlich verwendet, unter anderem zur Abtreibung. Es gilt daher als Archäophyt, also vor Columbus eingebürgert, aber eben nicht wirklich heimisch. (Etwa wie Matze und ich, die nach 10 Jahren und bis an unser Lebensende in Hemmerde als Neubürger gelten.) Ursprünglich kommt es aus dem – genau – Kaukasus. Und sogar die Kirschlorbeerhecke stammt grob aus der Ecke.

Zur Zierde eingebürgert

Es gibt noch mehr Zierpflanzen, die ihre Wurzeln im Kaukasus haben. (Haha). Ich bin selbst überrascht, wieviele bei mir wohnen:

Eine Kolchische Sockenblume, auch Gelbe Kaukasus-Elfenblume (Epimedium pinnatum) genannt, zwischen Armenischen Traubenhyazinthe (Muscari armeniacum) – beide auf meiner Kaukasus-Expedition getroffen ;-).
Der Mischtschenko-Blaustern (Scilla mischtschenkoana) hat seinen Namen von einem russischen Botaniker. Ansonsten ist er mit Spargel und Agaven verwandt. Das haben allerdings auch die Botaniker erst verstanden, seit sie für die Systematik genetische Analysen zu Rate ziehen.

Globalisierte Gefährder

So klein, und schon ein Elefant im Prozellanladen: Dieser eingeschleppter Neozooe frisst bei mir die Hecke und im Kaukasus einzigartige Urwälder kahl.

Am Ende bin ich auf der Suche nach Mitbewohnern aus dem Kaukasusgebiet noch auf eine ziemlich traurige Geschichte gestoßen, die mit einem meiner eigenen „Neubürger“ zu tun hat: Für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2012 wurden Buchsbäume in die Wohnanlagen gepflanzt. Und mit ihnen der gefräßige Buchsbaumzündsler eingeschleppt. Jetzt könnte man meinen, verendendes Ziergestrüpp sei nun nicht gerade eine ökologische Katastrophe – aber in der Nähe von Sotschi gibt es noch ursprüngliche Buchsbaum-Wälder mit Kolchischem Buchsbaum (Buxus colchica Pojark. 1947). Der Zündsler kannte keinen Respekt vor dem UNESCO-Weltnaturerbe und vernichtete, was er bekommen konnte. Der NABU und andere Naturschutzorganisationen engagieren sich für die Renaturierung. Bei mir findet die heimische Vogelwelt immer mehr Gefallen an den eingewanderten Zündslerraupen. Mir liefert die Bildungsreise in den Kaukasus einen weiteren Grund, die blassen Schmetterlinge unsympathisch zu finden.

Buchsbaumzündsler bei der Paarung. Dieses dämonische Leuchten in den Augen ist nicht bearbeitet. Die gucken so!

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