An der berühmtesten Biene Deutschland, dem Zeichentrickstar Biene Maja, ist alles falsch. Maja und ihr Freund Willi sind „Bienenkinder“ in einer umfänglichen Ausbildung und Willi, die Drohne, fliegt den ganzen Sommer mit ihr in der Gegend herum. Jetzt soll man von einer japanischen-70er-Jahre Zeichentrick-Serie nicht zu viel Wissenschaftsnähe erwarten – aber tragischerweise prägt Maja die Vorstellungen ganzer Generationen.
Bienensterben schafft Aufmerksamkeit
Wenn neuerdings alle die „Bienen retten“ wollen (spätestens seit dem grandiosen Roman von Maja Lunde) – denken mindestens ¾ der Menschen an Honigbienen. Die haben ein erstklassiges Image: Sozial, fleißig, und „nützlich“ indem sie zuerst die Obstbäume bestäuben und anschließend cremigen Honig liefern. Die Haltung von Bienen wird als gelebter Naturschutz beworben. Ich habe nichts gegen Imker, schon gar nicht gegen ihren Einsatz für pestizidfreiere Landwirtschaft, die allen Insekten und Wildtieren zugute kommt. Trotzdem: Honigbienen sind erstmal Haustiere. Und als solche konkurrieren sie um die Ressourcen mit hunderten anderen Arten- knapp 600 Wildbienenarten gibt es allein in Deutschland! Und die haben ganz andere Bedürfnisse als die Honigbienen.
Ein Honigbienenvolk sammelt etwa 25 Kilogramm Pollen im Jahr. Damit könnten rechnerisch über 100.000 Brutzellen der Rostroten Mauerbiene (Osmia Bicornis) versorgt werden. Manche Wildbienen sind außerdem ziemlich wählerisch, was ihre Sammelpflanzen angeht, während die Honigbienen ziemlich alles blühende verwerten können.
Majas wilde Schwestern
Hilfe und Aufmerksamkeit brauchen daher vor allem die Wildbienen. Bevor ich mit dem Blog begann, wusste ich über Wildbienen eigentlich gar nichts. Als nächstes schoss ich (meist etwas unscharfe) Fotos und wunderte mich, dass es absolut aussichtslos war, die abgebildeten Tiere zu bestimmen. Inzwischen habe ich verstanden, dass es hunderte Wildbienenarten gibt, von denen sich viele „im Feld“, also in lebendem Zustand, selbst von Experten nicht unterschieden lassen. Immer wenn ich denke „die kenn ich!“, weil sie einen roten Pelz oder eine auffällige Bauchbürste hat, stelle ich anschließend fest, dass es duzende ähnliche Arten gibt, wobei Männchen und Weibchen sich auch noch unterscheiden und ihre Farbe im Laufe der Zeit verblasst. Die Wildbienen sind also schwierig – und bezüglich der Frage „Wer wohnt in meinem Garten?“ kann ich höchstens grobe Familienzugehörigkeiten angeben (und selbst das oft nur mit Hilfe).
Einzelkämpfer ohne Honig
Unsere Wildbienen bilden auch keine „Schwärme“. Sie sind fast alle Einzelkämpferinnen. Ihre Nester beherbergen einzelne oder wenige Eier, in denen sich die Larven allein entwickeln. Viele legen ihre Nester im Boden an. Die populären Bienenhotels sind nur für wenige Wildbienenarten eine Nisthilfe. Mauerbienen kann man dort prima beobachten -und das ist vielleicht der eigentliche Verdienst dieser Nisthilfen: Den Erstkontakt nach Biene Maja herzustellen.
Die bekanntesten Vertreter am Insektenhotel sind Mauerbienen wie die Gehörnte Mauerbiene Osmia cornuta und die Rostrote Mauerbiene Osmia Bicornis. Sie sind mindestens ebenso effektive Bestäuber wie Honigbienen, in Japan werden bereits auf 75 Prozent der Anbauflächen Mauerbienen als Bestäuber eingesetzt, und auch in anderen Ländern setzt man inzwischen auf die Mauerbienen. Sie fliegen schon bei niedrigen Temperaturen und haben einen intensiven Kontakt zur Blüte, wo sie Pollen und Nektar gleichzeitig ernten.
An den Nestverschlüssen in den Holzbohrungen lässt sich übrigens erkennen, wer hier wohnt. Der Autor dieser tollen Wildbienenseite hat sogar einen eigenen Bestimmungsschlüssel für die verschiedenen „Zimmertüren“ im Bienenhotel erstellt.
Schaut man dann erstmal genauer hin, findet man winzige Bienen von wenigen Millimetern und große Holzbienen mit 3 cm Körperlänge und blau schimmerndem Panzer. Eine Hilfe für zahlreiche Wildbienen sind übrigens offener, ungehackter Boden in den Beeten oder kahle Stellen im Rasen – also genau solche Orte, die ein ordentlicher Gärtner zu vermeiden sucht. Für Erdnester ist aber freier Boden mit – je nach spezieller Vorliebe – lehmiger oder sandiger Konsistenz unverzichtbar – ein weiteres Argument gegen Aktionismus bei der Rabattenpflege.
Bienen als Parasiten
Neben den fleißigen Pollensammlern gibt es – wie ich schon einmal bei den Hummeln beschrieb – auch noch Kuckuksbienen. Die sparen sich die aufwändige Anlage eines Nestes und legen ihre Eier in die Nester anderer Bienen – und zwar meist nur ganz speziell ausgewählter Arten. Dort fressen sie dann den Proviant des Wirtes. Bienen als Bienenparasiten – das passt nicht zum sauberen Image vom fleißigen Bienchen. Aber unsere an menschlichen Maßstäben ausgerichtete Vergabe von Sympathiepunkten für die Überlebensstrategie verschiedener Arten passt eben auch nicht in die Natur.
Wissen wiederentdecken
Nochmal kurz zurück zu Biene Maja: Ich habe mir den Ursprungstext von „ Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ angesehen. In den Büchern Waldemar Bonsels ist Maja eine Biene, die sich nach dem Schlupf nicht wie eine Honigbiene benimmt, sondern türmt um die Welt (also die Wiese) kennen zu lernen. Es ist ein Märchen, aber: Weder wird sie dabei von einer Lehrerin angeleitet noch von einer ängstlichen Drohne namens Willi begleitet. Der Autor wusste vor 100 Jahren jedenfalls mehr über Bienen als der Durchschnittsmichel heute. Ich habe Hoffnung, dass wir wieder etwas aufholen, seit alle über die Bienen reden…