Der folgende Mitbewohner wurde streng genommen nicht im Garten angetroffen, sondern dorthin versetzt, weil ich seine Chance den Spaziergang über die nahegelegene B1 zu überleben extrem gering einstufte und keine Muße hatte, ihn selbst hinüber und zu einem geeigneten Aufenthaltsort zu bringen. Ich steckte die imposante Raupe also kurzerhand ein und googelte 500 Meter später zu Hause seine Identität: Das ist die inzwischen 2-4 Jahre alte Raupe des Weidenbohrers (Cossus cossus), fertig zur Verpuppung in der Erde. Anstatt meinen Schützling in locker-mulchige Erde zu entlassen, die er braucht, um einen Kokon zu basteln, setzte ich ihn – samt entsprechendem Substrat- in ein passendes Gefäß, wo es sich dankbar (oder vielleicht auch schicksalsergeben) eingrub.
Zwei Wochen später fühlte ich beim routinemäßigen Befeuchten der Erde vorsichtig nach – und fand den robusten Kokon, den ich natürlich sorgfältig wieder mit Erde bedeckte. In den folgenden Wochen checkte ich das Gefäß täglich. Allerdings tat sich rein gar nichts, bis ich schon befürchtete, mein Schützling hätte unser kleines Experiment nicht überlebt.
Aber dann, nach sieben vollen Wochen und inzwischen Mitte Juni, durchbrach die Puppe den festen Kokon. Sobald die Puppe ein wenig aus der Erde schaute, riß ihr Ende auf – so dass der Falter hervor krabbeln konnte. Ich hörte ihn in dem Gefäß rödeln, bevor ich ihn sah. Es war schon leicht dämmrig, und nach einer wirklich nur kurzen Fotosession entließ ich meinen Hausgast in die Freiheit. In meinem Garten gibt es keine Weide, die seine langlebigen Raupen zu Tode fressen könnten – sie bohren sich nämlich von unter der Rinde tief ins Holz und können dem Baum ernsthaft schaden. Der Falter selbst hat jetzt nicht mehr viel Zeit: Ihm fehlt ein Saugrüssel um Nahrung aufzunehmen, er fliegt also buchstäblich auf Reserve. Hoffentlich zur einzigen Paarung seines Lebens, bevor ihn ein Nachtjäger erwischt.