In diesen Sommerferien haben wir einen Garten in Schweden gemietet. Also eigentlich natürlich eine Stuga, wie die Schweden ein Ferienhaus nennen. Das Haus sieht genau aus aus, wie man es sich im schwedischen Småland vorstellt, wo bekanntlich Michel und die Bullerbü-Kinder lebten: Es ist ein rotes Holzhaus mit weißen Fensterrahmen und Kanten, einer großen Veranda, auf die problemlos der Kleine Onkel passen würde, und diversen Holz- und Tischlerschuppen, alle wie aus einer Astrid Lindgren-Verfilmung. Außerdem steht es zwischen einem Gewässersystem mit Seen und einem Bachlauf auf der einen und einem Naturreservat auf beweideten Flächen mit alten Laubbäumen auf der anderen Seite. Felsige Buckel aus von Eiszeitgletschern glattgeschliffenem Granit wechseln sich mit niedrigen Obstbäumen und ungemähten Wiesenstücken voller Wildblumen ab, auf den Felsbuckeln blühen verschiedene Sedum-Arten, Moose und Flechten.
Die Trissebude
Es gibt auch einen Gemüsegarten, angelegt zwischen Steinplatten, ein niedliches rotes Spielhäuschen mit Dachbegrünung und – als Annex vom Holzschuppen – eine Trissebude. Trisse hieß ein Knecht auf Katthult, und er baute einst das, was die Schweden „Utedass“ nennen: Ein Plumpsklo im Garten. Deshalb heißt diese Einrichtung bei Michel (und bei uns) Trissebude. Wer zu den unterschiedlichsten Zeiten zur Trissebude muss, nimmt den Garten und seine Bewohner noch einmal ganz anders wahr, das kann ich versichern. Gelegentlich nutzten die Gartenmitbewohner die Trissebude auch ihrerseits als Unterschlupf, etwa die Eidechse Esmeralda, eine namenlose Blindschleiche und ungezählte Heuschrecken. Die Kröte Kühlwalda lebte die ersten Tage nach unserer Ankunft gefährlich, bis wir ihre Gewohnheit kannten, ab etwa 23 Uhr direkt hinter dem Küchenausgang zur Toilette auf der Steintreppe zu hocken.
Görans Naturrreservat
Das Haus und sein Garten sind noch nie vermietet worden, wir sind die ersten. Bis vor anderthalb Jahren hat nämlich Göran hier gewohnt. Göran war ein Naturfreund seit seinen Kindertagen. Er war Experte für Kreuzottern und für Schmetterlinge, Kajakfahrer und Feuerwehrmann – aber für allzuviel neumodischen Kram hatte er offenbar nichts übrig. Seine Bestimmungsbücher sind noch hier, Literatur aus 7 Jahrzehnten in vier Sprachen. In manche Bücher hat er seine Sichtungen eingetragen. Seine Tochter Linda lebt mit ihrer Familie in Stockholm und hat seit Görans Zeit in diesem Haus renoviert und modernisiert. Es gibt eine neue Dusche, eine neue Waschmaschine, neue Betten und einen neuen Kühlschrank. Der moderne Herd steht neben einem Exemplar, das 1962 in Schweden gefertigt und mit Holz befeuert wurde. Wir sind dankbar für den Komfort, aber auch für die wunderbaren Dinge aus vergangenen Jahrzehnten und die Geschichten, die sie in unserer Phantasie erzählen. Und für den Garten.
Bunte Flugshow
Schon am ersten Morgen nach der Ankunft bin ich nicht dazu gekommen, Frühstück zu machen. Denn um mich und meine erste Kaffeetasse herum flatterten Schillerfalter in der Morgensonne, die hatte ich noch nie gesehen. Außerdem mindestens 20 weitere Schmetterlingsarten. Hummeln, Wildbienen, unzählige Libellen und Fliegen schweben in der Mittagshitze über den blühenden Teppichen, Nashorn- und Hirschkäfer fliegen in der Abenddämmerung über den hellen Nachthimmel, während einzelne Hornissen noch an unseren Mückengittern der Fenster patrouillieren. Heuschrecken in verschiedenen Ausführungen, bunte Wanzen und schillernde Rosenkäfer sitzen in der Wiese, und sobald es abends feucht wird, kann man am Gemüsegarten hunderte Schnecken leise schmatzen hören. Gegen Görans Garten wirkt mein Flecken an der alten Mühle unbewohnt. Dieser Garten ist ein eigenes Naturschutzgebiet im Naturreservat. Linda möchte ihn gern behalten, obwohl sie 400km entfernt lebt. Ich drücke ihr die Daumen, dass das klappt. Wir würden jedenfalls gern einmal wieder kommen.
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