Das dritte Reich

Über 400 Tier- und Pflanzenarten konnte ich in meinem Garten schon benennen. Das ist aber nur ein kleiner Bruchteil und umfasst nur die größeren Arten. Selbst unter den ohne optische Hilfsmittel leicht zu findenden Mitbewohnern gibt es aber noch andere, teils sehr seltsame Lebewesen, die sich keinem dieser beiden Reiche zuordnen lassen: Pilze leben nun wirklich überall auf der Erde (sogar im Meer, wie ich kürzlich in der Naturgucker-Akademie des NABU lernen durfte. ) Selbstredend auch im Garten. Nun ist die Bestimmung von Pilzen (will man über das Erkennen der beliebtesten Speisepilz hinaus kommen) eine Wissenschaft für sich. Meine kleine Pilzsammlung muss also (wie so oft ) mit aller Skepsis gelesen werden. Sicher ist aber:

Ich habe mindestens 10 verschiedene „Großpilze“ gefunden, beziehungsweise deren Fruchtkörper. Studien haben gezeigt, dass von über 400 Pilzen in einem Gebiet in der Schweiz nur 8 überhaupt regelmäßig Fruchtkörper bildeten – man kann also davon ausgehen, dass die wenigen „Hütchenbildner“ nur die Spitze eines Eisberges sind. Quasi ein kleiner Gruß aus dem vielfältigen Hyphengeflecht unter meinem Garten. Eine andere Untersuchung hat ergeben, dass es etwa 6-10 mal mehr Pilze als Pflanzen gibt, und wenn man sich mit dieser Info im wuchernden Grün so umguckt, bekommt man damit eine ungefähre Idee, wieviele unbekannte Mitbewohner aus dem Reich der Pilze an der alten Mühle residieren. Einige davon haben vielleicht noch nicht einmal einen Namen: Weltweit gelten bloß 3-8% der bestehenden Pilzarten als entdeckt. Bei bisherigem Tempo, nämlich 1.500 neue Arten pro Jahr, rechnen die Forscher vor, dass die Menschheit in nur 2.500 Jahren einen kompletten Überblick über die Pilzvielfalt des Planeten erlangen könnte (ich habe Zweifel, dass das gelingt).

Die einzig wahren Allesfresser


Pilze können keine Photosynthese, brauchen also immer organisches Material zur Energiegewinnung. Im Verdauen auch schwieriger Materialien sind sie daher große Meister. Die vielen Holzzersetzer beispielsweise haben die Superkraft Lignin zu „fressen“, das können NUR Pilze. Insekten (wie der Borkenkäfer), die Holz verwerten, haben diese Fähigkeit Pilzen in ihrem Darm zu verdanken. (Kürzlich gelernter Kugscheißer-Funfakt: Steinkohle entstand in der Phase, in der zwar schon große Landpflanzen mit verholzten Anteilen wuchsen, aber die Pilze (und auch sonst niemand) noch kein Lignin zersetzen konnten. Vor 300 Mio Jahren etwa fanden die Pilze das passende Enzym, das Zeitalter der fetten Steinkohle-Produktion war vorbei – sonst wär das Ruhrgebiet womöglich ein Gebirge…)

Gewöll-Hornpilz (Onygena corvina)

In meinem Garten fand ich einen anderen krassen Spezialisten-Pilz: Der Gewöll-Hornpilz (Onygena corvina) mag Gewölle, bei uns die der Waldohreule. Diese Pilze wachsen auf Horn, Federn und ähnlichem. Sie können Keratin abbauen, ein schwer verdauliches Material. Pilze die Öl, Plastik und Sprengstoff verstoffwechseln können, gelten als Hoffnungsträger zur Lösung verschiedener Probleme.

Schlauchpilze

Der Gewöllspezialist ist ein Schlauchpilz, eine der großen Pilz-Abteilungen. Unter den mikroskopischen Arten beherbergt sie eine gigantische Vielfalt: Von Hefen über Schimmelpilze bis hin zu Pflanzenkrankheiten-auslösendem „Rost“ oder Mehltau.

Der Zinnoberrote Pustelpilz (Nectria cinnabarina) wächst meist auf bereits toten Ästen.

Das ist Hesperomyces virescens, der Marienkäferpilz. Ein Ektoparasit, er sitzt also außen am Käfer. Er schient beim Sex übertragen zu werden – eine Art Marienkäfer-Tripper also.

Schimmel auf roter Beete

Schimmelpilze finden ja alle eklig. Sie können auch sehr effektive Gifte produzieren. Und schöne Farben, finde ich. Penicillium oder Aspergillus– unter dem Mikroskop kann man das ganz gut unterscheiden. Ich hatte aber hier nicht die Muße, und meine Familie bestand auf einer unverzüglichen Entsorgung dieser Kultur.

Vor Jahren fand ich im Garten allerdings auch einen Großpilz unter den Schlauchpilzen: Eine leider damals nicht näher bestimmte Morchel. Seit dem sind mir keine Fruchtkörper mehr begegnet.

Ständerpilze

Diese Stinkmorchel sieht nicht nur aus wie ein Ständer, sie ist auch ein Ständerpilz. Sie wohnt aber nicht freiwillig in meinem Garten, ich hatte sie als Hexenei zu Anschauungszwecken aus dem nahen Wäldchen mitgebracht und „schlüpfen“ lassen, nachdem ich ihre Geschwister mit Knoblauch in Öl gebraten verzehrt hatte….

Die „Schwesterabteilung“ der Schlauchpilze sind die Ständerpilze (Basidiomyceten). Wobei sich der Name nicht auf die Fruchtkörper bezieht, sondern auf die nur mikroskopisch sichtbaren Sporenständer. In diese Abteilung gehören vom Champignon bis zum Zunderschwamm und vom Steinpilz bis Pfifferling alle anderen. Die Systematik der Pilze ist durch die schiere Größe ziemlich furchteinflößend und außerdem ständig im Wandel. Seit molekulargenetische Untersuchungsmethoden zur Verfügung stehen, kann man sich auch nicht mehr unbedingt darauf verlassen, dass „ähnliches“ zusammensortiert wird. Viele Arten lassen sich ohnehin nicht durch Augenschein sondern nur mit Hilfe mikroskopischer Analysen bestimmen – deutlich zu anspruchsvoll für mein kleines Projekt.

Ein Rötling, (auch Zärtling oder Glöckling bzw wissenschaftlich Entoloma genannt) könnte das hier sein.

Eine Graukappe (auch Nebeltrichterling, Clitocybe nebularis) zersetzt hinter der Hütte unfertigen Kompost und Laubreste.

Violette Rötelritterling (Lepista nuda), ist ein Folgezersetzer, der bis in den Dezember Hütchen bildet. Diese schon etwas verblichenen Fruchtkörper habe ich im Dezember am Kompost gefunden. In der Literatur steht, dass diese Pilze oft mit Nebelkappen zusammen auftreten.

Hier sieht die App einen Gold-Mistpilz (Bolbitius titubans), für eine Kartierung wäre das natürlich keine sichere Bestimmung. Aber: Das Habitat (Kompost und Grasabfällen) stimmt und die Fruchtkörper waren schon alt, die orange-gelbe Verfärbung in der Hutmitte würde passen.

Hier komme ich auf Rosablättriger Egerlingsschirmling (Leucoagaricus leucothites). Wobei – die Sporenfarbe fand ich eher weiß. Aber was weiß ich schon.

Ein Safranschirmling (Chlorophyllum). Davon gibt es allerdings verschiedene.


Den Schopftintling, (Coprinus comatus) könnte man sogar essen. Solange er noch jung und tintenlos ist.

Dieser Bleigraue Topf-Teuerling (Cyathus olla) wurde offenbar erst kürzlich “umsortiert“ und gehört jetzt zu den Champignonverwandten. Da kann man jetzt ohne Genetik kaum drauf kommen. Die topfartigen Fruchtkörper beherbergen linsenförmige Sporenbehälter (Peridiolen) die an Pflanzensamen erinnern. Offenbar lassen sich davon auch Vögel täuschen, die die „Samen“ fressen und nach der Darmpassage andernorts verbreiten. Eine zweite Theorie zur Verbreitungsstrategie besagt, dass Regentropfen in die Fruchtkörper schlagen und die Porenpakete herausschleudern könnten. Meine Topfteuerlinge wuchsen allerdings so geschützt, da hätte der Regen es schwer gehabt… Teuerlinge sind Zersetzer.

Kristallgehirnpilz (Myxarium nucleatum)

Und was ist das hier für eine amorphe Gallerte? Ebenfalls ein Ständerpilz! Myxarium nucleatum, der Kristallgehirnpilz oder Kerndrüsling.

Das vierte Reich

Diesen hier dagegen bestimmt eine App als Rauhkopfschleimpilz (Didymium squamulosum) und damit haben wir das Reich der Pilze schon wieder verlassen, denn die Schleimpilze sind ein Reich für sich – und einen eigenen Blogeintrag wert. Eines Tages.

Rauhkopfschleimpilz (Didymium squamulosum)

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