Obwohl er so ein putziges Kerlchen ist, hat der Steinmarder (Martes foina) ein Rowdy-Image: Persönlich trifft man ihn selten, dafür zerbeißt er Autokabel, kotet mitten auf den Rasen oder zieht unter dem Dach ein. Ein „Kulturfolger“ also, der mit menschlichen Mitbewohnern prima zurecht kommt. 10.000 Steinmarder wurden allein in NRW in der Saison 23/24 getötet (das sind nur die gemeldeten). Die Hälfte davon in Fallen – ein sehr umstrittene Jagdmethode. Insgesamt scheint es fragwürdig, Marder zu jagen – die scheuen Einzelgänger mit ihrem ausgeprägten Revierverhalten sorgen schon selbst dafür, dass es nicht „zu viele“ von ihnen auf einem Fleck gibt. Etwa 1000 Tiere wurden tot gefunden, die meisten waren Verkehrsopfer.

In unserer Nachbarschaft sind Steinmarder – anders als im freien Feld- fast ausschließlich nachtaktiv. Wir treffen sie daher fast nie. Vor Jahren lebte ein Steinmarder auf unserem Dachboden- und selbst damals bekamen wir ihn nie zu sehen. Während ich tierischen Mitbewohnern die Gartenmitnutzung recht freigiebig gestatte, war uns der Einzug des fluffigen Mietnomaden über unserem Schlafzimmer dann doch nicht recht – sein Lebensstil einschließlich nachtaktiver Randale über unseren Köpfen passte einfach nicht zu unserem Tag-Nacht-Rhythmus. Außerdem mißfiel mir die Vorstellung, dass dort oben jemand seine Notdurft in der Dachisolierung verrichtete – der Marder musste ausziehen. Wir fanden sein Einstiegsloch und verschlossen es.

Maßloser Hühnerkiller
Marder fressen fast alles bis Hühnergröße. Bei Hühner- und Taubenhaltern sind sie entsprechend verhasst. Gelingt ihnen der Einbruch in einen Stall oder Schlag töten und fressen sie nicht nur ein einzelnes Tier sondern scheinen oft in einen „Blutrausch“ zu verfallen und so lange zu wüten, bis sich nichts mehr bewegt. Der Begriff ist allerdings nicht richtig. Raubtiere haben einen Jagdtrieb der durch bestimmte Reize ausgelöst wird. In einem verschlossenen Stall, indem die Hühner in Panik dem Räuber um die Nase flattern, beißt er instinktgetrieben immer weiter zu, bis Ruhe herrscht. Das ist natürlich traurig für die Hühner und ihre Besitzer, aber keine Charakterschwäche des Marders. „Over Killing“ ist ein Phänomen, das beispielsweise an Wölfen untersucht wurde, die in sehr schneereichen Wintern (wenn die Beute nicht flüchten kann) viel mehr Hirsche töten, als sie fressen können. Bei Bären im Lachsfluss hat man ein ähnliches Verhalten beobachtet. Der Steinmarder tötet die Hühner nicht aus Bosheit, er ist Sklave seiner Reflexe.
Schwanger auf Abruf
Marder zeigen, wie auch Rehe und andere Säugetiere, ein interessantes Fortpflanzungstiming, die sogenannte Diapause. Dabei sind Paarungstermin und Geburt der Jungen entkoppelt, weil der Embryo sich nach der Befruchtung nicht gleichmäßig weiter entwickelt, sondern mehrere Wochen bis Monate pausiert. Bei den Steinmardern ist diese „Keimruhe“ über ein halbes Jahr lang. Die Einzelgänger müssen relativ viel Energie auf die Partnersuche verwenden, dafür eignet sich der Spätsommer am besten, wenn die Nahrungssituation vergleichsweise üppig ist. Die Geburt ist aber im Frühling am aussichtsreichsten, denn die Jungtiere werden insgesamt 3 Monate gesäugt und lernen erst danach die Nahrungssuche. Sie brauchen also viel Zeit bis sie im Herbst auf eigenen Füßen stehen können. Die eigentliche Schwangerschaft dauert nur einen Monat, etwa von Oktober bis März bleibt der Embryo daher im Stadium eines eher unspezifischen Zellhaufens „on hold“ und entwickelt sich nicht weiter. Wie die Steuerung dieser Entwicklungsunterbrechung genau funktioniert ist noch nicht verstanden. Die Tageslänge scheint aber einen Einfluss auf bestimmte Hormone zu haben, die die schlafende Blastozyte im Frühjahr „wecken“. 4 Wochen später kommen 2-5 junge Steinmarder zur Welt, die etwa 2Jahre brauchen, bevor sie selbst Nachwuchs zeugen oder aufziehen können.
