Bis zu 100.000 Springschwänze leben in einem Quadratmeter Boden! In gesunden Waldböden bis zu 50 Arten. Springschwänze essen organisches Material und brauchen dabei viel Feuchtigkeit. Sie selbst werden von allen möglichen anderen kleinen Tieren gefressen, etwa von Raubmilben.

Kugelspringer sind eine Untergruppe der Springschwänze, die wegen ihres knuffigen Aussehens besonders viele Liebhaber haben. Sie sind alle unter 3mm klein. Ambitionierte Makrofotografen haben Springschwänze aus verschiedenen Gründen als besondere Herausforderung entdeckt: Sie sind manchmal erstaunlich bunt und vielfältig, sie leben buchstäblich überall, im letzten Moosrest zwischen den Pflastersteinen und im kleinsten Laubhaufen am Parkplatzrand – aber auch in Waldboden, Komposterde oder auf der Wasseroberfläche der Regentonne. Sie sind ganzjährig aktiv und lassen sich auch im ansonsten krabbeltierarmen Winter fotografieren. Und sie sind soooo klein – da kommen Technikfetischisten voll auf ihre Kosten. Mir fehlt die Geduld für perfekte, tiefenscharfe Bilder von maximal 1,7mm großen Tierchen mit enervierendem Bewegungsdrang. Dieser bunte Kugelspringer ließ sich immerhin auf ein Stagging mit 22 Aufnahmen ein:

Richtig tolle Aufnahmen wunderschöner, fremdartiger Springschwänze gibt es hier zu sehen, außerdem ein bißchen mehr Kontext zum Thema Mesofauna und Boden-WG: https://www.chaosofdelight.org/
Meister der platonischen Beziehung

Springschwänze paaren sich ohne „richtigen“ Sex: Das Männchen legt sein Sperma so ab, dass das Weibchen es aufnehmen kann. Manche Arten umzingeln das Weibchen mit Sperma auf kleinen Säulen, so dass sie ja nicht daran vorbeiläuft. Andere legen einen proteinreichen „Leitfaden“ aus, an dem die Springschwänzin sich entlang frisst und dabei mit der Körperunterseite das Sperma nebenbei aufnimmt. Ihre Sprunggabel hilft bei der Flucht: Mit Muskelkraft wird eine Platte an der Gabelbasis gespannt, ein „Schloss“ hält die gespannte Feder fest, bis ein Fluchtreflex ausgelöst wird. Das Konzept ist so effizient, dass es speziell bei dem kleinen Kugelspringer auf dem Foto als Modell für Biomechanik untersucht wird.

Erde im Museum
Trotz ihrer Winzigkeit gibt es Menschen, die ihre Energie und Arbeit in die Erforschung der Sprungkraft, der Essgewohnheiten oder der Paarungsrituale von Kugelspringern investieren, denn allmählich dringt die Bedeutung der kleinen Bodenbewohner in unserer Bewusstsein: Weltweit verlieren wir fruchtbare Böden in einem gruseligen Ausmaß. Wir sind offenbar nicht gut darin, das Gemisch aus mineralischem Staub, Wasser, Luft und unglaublich vielen kleinen Lebewesen lebendig und gesund zu halten – und wie sollten wir auch, wo wir über die WG zu unteren Füßen so wenig wissen? Das örtliche Naturkundemuseum widmete den Bodenbewohnern von Milbe bis Maulwurf daher eine Sonderausstellung des Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz: Die dünne Haut der Erde beschäftigt sich (gewohnt pädagogisch) mit den Böden. Gerade den kleinsten, oft vergessenen Bodenbewohnern hat man viele Ausstellungsstücke gewidmet: Milben und Springschwänze in Dachsgröße sollen die Besucher auf die wichtige Arbeit der Zersetzer aufmerksam machen.

Darwins blinder Fleck
Darwin forschte begeistert an Regenwürmern, und betonte ihren Verdienst um die Bildung fruchtbarer Böden, fand aber Springschwänze langweilig: “The members of this order are lowly organised for their class. They are wingless, dull coloured, minute insects with ugly, almost misshapen heads and bodies” soll er geschrieben haben. Glücklicherweise ließ sich sein Nachbarsjunge John Lubbock nicht vom Desinteresse seines Förderers abhalten und veröffentlichte 1873 die erste Monographie über Springschwänze. Heute rücken die „possierlichen Vertreter der Mesofauna“, wie Grzimek vielleicht formuliert hätte wieder mehr in den Fokus der Forschenden. Ein hochverdienter Mitbewohner des Monats in jedem Fall!


