Wer genau nachdenkt, erinnert sich bestimmt schon einmal die die fusselig-moosigen Bälle gesehen zu haben, die manchmal aus den Zweigen von Heckenrosen wachsen. Anfangs leuchtend rot, später wirken sie braun und vertrocknet. Rosengallen sind ziemlich häufig – und werden nur von einer einzigen Gallwespenart „erbaut“ – was sehr praktisch ist, weil man dann einmal sicher sein kann, die Art richtig zu bestimmen – sogar ohne die unscheinbaren Hautflügler überhaupt zu Gesicht zu bekommen. Von den etwa 100 Gallwespenarten in Mitteleuropa sind die meisten auf Eichen spezialisiert. Die Gemeine Rosengallwespe (Diplolepis rosae) aber liebt meine Hundsrose (Rosa canina).
Ist das Pflanzenkrebs?
Gallen sind „Wucherungen“ pflanzlichen Gewebes, wissenschaftlich heißen sie Cecidien. Die genaue Entstehung ist noch nicht erforscht. Fest steht, die Junglarven der Rosengallwespe beißen die Pflanzenteile gezielt und wiederholt an, das führt zu abnormen Wuchs. Die Galle enthält allerdings Strukturen, die in der normalen Pflanze gar nicht vorgesehen sind – sie ist ein stark verholztes Gebilde mit vielen kleinen Kammern, außen geschützt durch struppige Fäden – das Ganze sieht aus wie eine verfilzte Kugel und kann fast Tennisballgröße erreichen. Wie steuert die Larve den Bau ihrer Kinderstube einschließlich der dafür nötigen Zelldifferenzierungen? Dazu wird zwar vereinzelt geforscht, ich konnte aber (noch) keine genaue Erklärung zur Entstehung der „Mißbildungen“ finden. Hier ist eine Zusammenfassung des Wissenstandes.
Rosengallen sind ziemlich auffällig – und wurden in früheren Zeiten offenbar als Einschlafhilfe beworben: Unter das Kissen gelegt, sollen sie sanft ins Reich der Träume geleiten. Die Zoocecidien an Rosa canina heißen im Volksmund daher auch „Schlafapfel“.
Belagertes Frauenhaus
Bekannt ist aber die Art der Vermehrung für „meine“ Rosengallwespen: Sie legen unbefruchtete Eier an die Rose, aus denen ausschließlich Weibchen schlüpfen. 4-8 Wochen später ist die Unterkunft fertig. Es handelt sich bei der Galle also um ein Frauenhaus, in dem die Larven im besten Fall gut geschützt überwintern und erst im nächsten Frühling aufbrechen, um neue Eier an neue Blattknospen zu legen. Um aus der holzigen Kammer zu kommen, müssen die frisch geschlüpften Wespen mit kräftigen Mandibeln „dicke Bretter bohren“.
In die entstehende Galle ziehen gern „Einmieter“ wie die Schwarze Rosengallwespe (Periclistus
brandtii) ein, die kein eigenes Gebäude herstellen, sondern einfach das der Rosengallwespe besetzten – und dabei nach ihrem Bedarf umbauen. Dabei können sie dem Erbauer auch schaden – leben aber weiterhin von pflanzlichem Gewebe.
Eine kleine Ökozelle
Die WG aus weitgehend wehrlosen Larven weckt Begehrlichkeiten. Erzwespen fressen sich als Räuber durch die Galle und verwerten dabei sowohl das Gallengewebe als auch die leckeren Proteinhäppchen in Form der Larven. Dann gibt es noch sogenannte Ektoparasitoide, die ihre Wirtslarven von außen nach innen fressen und dabei töten sowie mindestens eine Schlupfwespe, die ihren Nachwuchs direkt in die die Körper der Wirtslarve legt- wo sie sich dann von innen nach außen frisst. Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Parasitoiden und Wirten sind relativ kompliziert – man frisst sich auch gegenseitig. Ich habe oben ein Bild gebastelt, genauer kann man es hier nachlesen.
Gibt es noch weitere Bewohner der Rosengallen? Alte Gallen werden bestimmt von Nachmietern bezogen. Ich habe mindestens eine Beschreibung gefunden, bei der Grabwespen die verlassene Galle als Nest nutzte. Anderen mag die Galle lediglich als Schlafplatz oder Versteck dienen. Der Pflanze schaden sie nicht weiter – für einen Abriss der Altbauten besteht also kein Grund. Das letzte Bild zeigt das Mini-Ökosystem im Rückbau durch weitere Arten, vielleicht Pilze, Algen oder tierische Restevernichter.